Kurs auf Berlin

von Sven Schneider

Mit der Serrahn Queen der Bergedorfer Schifffahrtslinie von Hamburg in die Hauptstadt

Die Serrahn Queen der Bergedorfer Schifffahrtslinie in Berlin.
Foto: (c) Tobias Gätke

Fokus auf das wesentliche

Minimalismus pur an Bord des Ausflugsschiffs Serrahn Queen. Allerdings nicht aus Versehen oder Finanzknappheit, sondern aus voller Überzeugung, wie der Eigentümer und Binnenschifffahrtskapitän Heiko Buhr der nach eigener Darstellung mit zwei Fahrgastschiffen kleinsten Reederei Hamburgs betont: „Wir wollen unseren Gästen die Wasserstraßen zeigen, die sie so garantiert noch nie gesehen haben.“ Und da würde Ablenkung jedweder Art eher stören. Die Natur gibt ihm recht. Eigenhändig er die Serrahn Queen über die Dove Elbe durch die Vier- und Marschlande, von alters her der Obst- und Gemüsegarten der Hansestadt.

Entschleunigt Natur hautnah erleben

Der Trubel einer Millionenmetropole ist hier weit entfernt. Windmühlen und Treibhäuser stehen am Ufer, Bäume recken ihre Äste wie dichte Fächer über das Flussbett, ein paar Graureiher stürzen sich in mäandernden Seitenarmen auf Nahrungssuche ins Wasser. Manchmal ist die Fahrrinne so eng, dass meterhohes Schilf am Schiff schabt, während es sich mit gerade mal zwölf Stundenkilometern in Richtung Elbe-Seitenkanal schiebt. Zügiger geht es nicht. „Die meisten anderen Schiffe könnten diese Route gar nicht fahren“, sagt Buhr. Die 33 Meter lange Serrahn Queen kommt auf gerade mal 110 Zentimeter Tiefgang – ähnlich wie die ortstypischen Ewer, jene Segelschiffe mit Flachkiel, die an den zahlreichen Anlegern am Ufer vertäut sind. Diesen Booten fällt das Navigieren in dem vor langer Zeit eingedeichten Seitenarm der Elbe leicht, während große Kabinenschiffe, wie sie beispielsweise auf der Donau kreuzen, hier definitiv aufgeschmissen wären. Zumal diese Schiffe nach Meinung von Reeder Buhr den Sinn einer Flussreise ins Gegenteil verkehren: Um die Fahrt als solche gehe es da nicht, sondern eher darum, möglichst viele Orte abzuklappern. Und damit die Passagiere tagsüber die angesteuerten Städte erkunden können, „klüddern diese Pödde meistens abends oder nachts“, wie er in seinem hartnäckigen Hamburger Dialekt sagt. Von den Schönheiten der Landschaft kriegen die Passagiere deswegen kaum etwas mit.

Umweltschonend Norddeutschland erkunden

Seit 2017 fährt Buhr mit GTL, einem Kraftstoff, der aus Gas gewonnen wird und bis zu 90 Prozent geruchsärmer, bis zu 70 Prozent schadstoffärmer als Schiffsdiesel und zudem biologisch abbaubar ist. Im Schnitt verbraucht die Serrahn Queen pro Tag und pro Fahrgast nur zwei Liter davon. Die maximal 50 Gäste, die auf der Serrahn Queen über die norddeutschen Kanäle schippern, wissen das – und haben sich genau deswegen für eine Tour mit der Bergedorfer Schifffahrtslinie entschieden. Vielen ist das Hetzen durch mehrere Städte an Rhein, Mosel oder Donau auch einfach zu stressig.

Erholsamer Schlaf im Vier-Sterne-Hotel

Nach den beeindruckenden Flussauen der Dove Elbe und der herbstlichen Vegetation der Lüneburger Heide, die an den ersten beiden Tagen an den Passagieren vorbeiziehen, ist das leider erst mal nicht viel. Vor allem das Stück zwischen Wolfsburg und Magdeburg auf dem Elbe-Havel-Kanal ist, genau genommen, Ödnis pur. Wenig Bewuchs schmückt das Ufer, die betonierten Mauern des Kanalbeckens kennen kaum Abwechslung. Die Passagiere stört es nicht. Sie sitzen auf dem Panoramadeck in gemütlichen Sitzecken und Liegestühlen, betrachten die Landschaft, dösen in der Sonne und entspannen. Diverse Schleusen, ein Shopping-Ausflug ins Wolfsburger Designer-Outlet-Center oder die Autostadt des VW-Konzerns sind die Höhepunkte des Tages. Anschließend hat Kapitän Buhr Pause, seine Passagiere fahren mit dem Bus weiter in ihr Vier-Sterne-Hotel in der Magdeburger Innenstadt, suchen sich dort ein Restaurant, relaxen im hoteleigenen Spa oder tapern erkundungswillig durch die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts. Ein weiterer Unterschied zu den herkömmlichen und viel größeren Kabinenschiffen. Dort beziehen die Passagiere ihre eigene Kabine, während die Gäste der Serrahn Queen jeden Nachmittag in ein anderes Hotel gehen. Für Marion, die sich kurz vor Brandenburg an der Havel auf dem Panoramadeck des Schiffs in eine weiche weiße Decke kuschelt, ist das ideal. „Ich schlafe lieber in einem echten Bett als in einer engen Koje“, sagt die 62-Jährige, die gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten die Tour nach Berlin gebucht hat.

Programm? Flexibilität!

Ob es sie nicht stört, dass es kaum ein vorgegebenes Programm auf der Reise gibt? „Überhaupt nicht“, sagt sie, „für mich ist das Entschleunigung pur.“ Schließlich könne sich jeder selbst überlegen, wie er die Nachmittage und Abende auf der Fahrt gestaltet. „Wir sind ja alle drei mal sieben.“ Der Altersschnitt auf den Flussreisen der Bergedorfer Schifffahrtslinie ist tatsächlich ein wenig höher als auf anderen Schiffen – doch Heiko Buhr legt Wert darauf, dass es sich um keine reine Rentnerbespaßung handelt. „Zwei oder drei jüngere Pärchen sind immer dabei“, sagt er, die meisten seien aus Hamburg und Umgebung.

Unterwegs und doch regional

So oder so, die Gäste schätzen vor allem auch den sanften Tourismus. Denn die Nutzung der Ressourcen an Land bringe jeder Stadt etwas, im Gegensatz zu den großen Kreuzfahrern. Denn vor Ort übernachten die Gäste, besuchen noch Restaurants oder kulturelle Sehenswürdigkeiten. Auch das Catering für das Mittagessen an Bord wird von Land bezogen, jeden Tag frisch und regional wechselnd. Die letzte Etappe zwischen Brandenburg an der Havel und Berlin entschädigt für die ein oder andere Länge an den vorherigen Tagen. Frühmorgens bricht die Serrahn Queen auf, lediglich ein paar Reiher auf Nahrungssuche durchbrechen den Morgennebel über der Havel. Der Bewuchs wird dichter, spätestens auf Höhe Potsdam und dem Wannsee sieht man vor lauter Weiden, Birken und Eichen kaum noch die zahlreichen Villen am Flussufer. Oft verrät nur ein einsamer Bootssteg die Anwesenheit menschlichen Lebens.

(c) Bergedorfer Schifffahrtslinie

Ankunft in der Hauptstadt

Eingerahmt von den typischen bunten und kleinen Bungalowbooten, den sogenannten BunBos, nähert sich das Binnenschiff langsam Berlin. Die geringe Höhe der Serrahn Queen von 3,30 Metern ist ideal für das Brücken- und Kanalnetz der Hauptstadt. Die maximale Durchfahrtshöhe sind vier Meter, die wenigsten Ausflugsschiffe können das einhalten. Und als das Schiff dann den Spreebogen erreicht und den Reichstag auf Steuerbord passiert, versammeln sich alle Passagiere auf dem Panoramadeck, „um mal dem Kanzler zuzuwinken“, wie Heiko Buhr sagt. Kurz darauf legt sein Schiff nahe der Friedrichstraße an. Berlin ist an diesem Tag angenehm ruhig, der übliche Trubel der Weltstadt scheint meilenweit entfernt. Für viele, die die Ruhe auf der Serrahn Queen so sehr genossen haben, das passende Entree zurück ins Großstadtleben.

Es handelt sich hierbei um eine gekürzte Version. Den ganzen Artikel finden Sie im Kreuzfahrt Guide 2023.

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