Hier kommt die Lady

Es muss nicht immer die weite Welt der Seereise sein, heimische Gewässer haben auch viel zu bieten. Unterwegs auf dem Main mit der Lady Diletta
von Susanne Hamann
Lady Diletta:
2020 in Dienst gestellt von Plantours
Modernes Interieur:
So lässt es sich an Bord des 135 Meter langen und zwölf Meter breiten Schiffs gut aushalten. Für maximal 172 Passagiere stehen um die 45 Crew-Mitglieder parat
Die Restaurants:
„Tiepolo“ und „Canaletto“ heißen die beiden Restaurants an Bord
Die Kabinen:
Die Lady Dialetta bietet ihrern Gästen geräumige Kabinen (fast alle mit französischem Balkon)

Man nennt sie scherzhaft „die Schleuserbande“.
Drei Herren gesetzteren Alters in karierten Kurzarmhemden, sportlichen Hosen und Trekkingsandalen, die während der Fahrt mit Begeisterung am Bug sitzen. Hier haben sie alles im Blick. Ab und zu wandert eine auf den Kopf geschobene Lesebrille runter auf die Nase, um Unterlagen zu studieren. Wann kommt die nächste Staustufe? Wie viele Meter wird die Lady Diletta angehoben? Höhe über Normalnull, Beckenlänge, Verweildauer – es gibt viel zu notieren. „Auf den Großen Seen in den USA ist das ja noch viel beeindruckender. Da müssen fast 100 Meter überbrückt werden“, sagt der Herr auf der Steuerbordseite und malt ein Häkchen auf seine Liste.

Schleusen sind die Fahrstühle der Wasserwege. Diese Meisterwerke der Ingenieurskunst stehen alle paar Kilometer plötzlich im Weg. Das Schiff fährt in die Schleusenkammer, dann schließt sich dahinter ein Tor. Wasser strömt ein und hebt den in diesem Fall 135 Meter langen Flusskreuzer nach oben. Auf dem Rückweg wird das Wasser abgelassen, um die Schiffe nach unten zu befördern. In den Schleusen muss die Mannschaft der Lady Diletta Präzisionsarbeit leisten. Zwischen Schiffswand und Schleusenmauer sind kaum zwei Handbreit Platz. Passagiere mit langen Armen könnten die Blumen pflücken, die sich aus Mauerritzen gen Sonne recken. Ein Schild an den Kabinenfenstern warnt jedoch davor, sich unbedacht im falschen Moment nach draußen zu lehnen. „Da kann man sich den Kopf stoßen oder schlimmer verletzen“, warnt Kapitän Radek Dupal eindrücklich.

Der 52-jährige Tscheche ist einer von drei Kapitänen an Bord. „Wir haben hier mehrere Leute mit Patent, damit wir uns beim Fahren abwechseln können“, erzählt er. In der Flusskreuzfahrt tragen die Schiffsführer nicht nur die Verantwortung, sie legen auch richtig Hand ans Steuerrad. „Der Main ist ein anspruchsvolles Revier – nautisch eine Herausforderung“, sagt Dupal. Kurvenreich, schmal, gespickt mit jeder Menge Schleusen. Dafür gibt es weniger Verkehr als zum Beispiel auf dem Rhein.

Wer will, kann unterwegs dem Kapitän bei der Arbeit zusehen. Denn die Brücke ist kein versteckter Bereich, sondern befindet sich gut einsehbar in einem kleinen Kabuff an Deck. Besucher, die an die Scheibe klopfen, sind willkommen. Dupal fuhr früher Tankschiffe für niederländische und belgische Reedereien, vor acht Jahren heuerte er bei Plantours Kreuzfahrten an. Die Arbeit mit „sprechender Ladung“ macht Radek Dupal viel Spaß: „Es hat viele Vorteile. Mit einem Tanker muss man aus Sicherheitsgründenimmer weit draußen anlegen. Das ist hier anders. Da liegen wir mitten in der Stadt.“ Allerdings sei die Verantwortung natürlich viel größer, wenn man Menschen befördert.

„In Pandemiezeiten steigen immer mehr Kreuzfahrtfans von der Hochsee auf den Fluss um“, hat auch Kreuzfahrtdirektorin Sarah Pingel beobachtet. Sie selbst arbeitete lange für Plantours auf dem Kreuzer MS Hamburg und hat jetzt ebenfalls den Fluss für sich entdeckt. Die Passagiere auf dieser Reise auf Rhein, Main und dem Main-Donau-Kanal haben zum größten Teil schon das Rentenalter erreicht und genießen nun das Leben. „Unser Schiff verfügt zwar über
Aufzug und Treppenlift, aber wirklich behindertengerecht ist es nicht“, sagt Sarah Pingel. Auch wer eine auf den ersten Blick behäbig wirkende Flusskreuzfahrt unternehmen möchte, sollte gut zu Fuß sein. Immerhin: Die Liegezeiten werden oft großzügig bemessen – manchmal bleibt ein Kreuzer sogar über Nacht. Viel Zeit, um einen Ort zu erkunden.

Das Schiff Lady Diletta verfügt über 92 Kabinen für 172 Passagiere. Es gibt ein schickes Restaurant, über der Bar wölbt sich ein Glasdach und lässt wie in einem Wintergarten viel Licht ins Innere. Taupefarbene Einbauschränke, passende Teppichböden in Fischgrätmuster, seidig schimmernde Tapeten – die Kabinen sind edel eingerichtet. Eine Schiebetür aus Milchglas führt ins Bad, das mit Waschtisch in Marmoroptik und einer großzügigen Dusche punktet. Die Betten sind alle so ausgerichtet, dass man in Fahrtrichtung schläft. „Das ist für viele Gäste sehr wichtig“, sagt die Kreuzfahrtdirektorin. Bei offenem Fenster plätschert das Wasser sanft vor sich hin. Vögel zwitschern. Entschleunigung pur.

Das 2020 gebaute Schiff ist mit modernster Technik ausgestattet und zuckelt fast vibrations- und geräuschlos mit einer Geschwindigkeit von durchschnittlich zehn bis 15 Kilometern pro Stunde stromaufwärts. Mancher Radler am Ufer feiert unerwartete Erfolgserlebnisse, indem er oder sie die Lady Diletta fast mühelos und lässig überholt. Die Flusskreuzfahrtbranche ist vom Pegelstand der Gewässer abhängig, muss daher hin und wieder die Fahrpläne ändern. Besonders im trockenen Sommer 2022 ein großes Problem, das mit dem Klimawandel zu tun hat, aber auch am Umgang mit dem Rohstoff an sich. Schon vor einigen Jahren regnete es so wenig, dass der untere Rhein und die bMosel zu wenig Wasser hatten. Die Reedereien kommandierten ihre Schiffe Richtung oberer Rhein und nach Holland ab.

Zu viel Wasser ist aber auch schlecht: Denn dann kommen selbst die kleinen Dampfer irgendwann nicht mehr unter den Brücken hindurch, und der Betrieb muss eingestellt werden. Bei Hochwasser kann Kapitän Radek Dupal sein Steuerhäuschen hydraulisch einen halben Meter nach unten fahren. Dann wird auch das Sonnendeck aus Sicherheitsgründen gesperrt, alle Möbel entfernt, der Schornstein abgeschraubt und die Geländer umgeklappt. Doch es gibt eine halbe Treppe tiefer einen weiteren Außenbereich, auf dem man gemütlich sitzen kann.

„Wir verteilen die Kabinen über zweieinhalb Decks, sodass wir auch bei schlechtem Wetter oder der Unterfahrt von Brücken Gästen einen Aufenthalt im Außenbereich ermöglichen“, sagt Silvio Ciprietti, Direktor Cruise Division bei der Ligabue Group. Das italienische Unternehmen mit Sitz in Venedig ist die Muttergesellschaft von Plantours Kreuzfahrten. Der Bremer Veranstalter betreibt vier Flusskreuzfahrtschiffe. Die Lady Diletta ist das jüngste Mitglied der Flotte. Es wurde in den Niederlanden konstruiert und im Juni 2020 getauft. Doch wie kommt man bloß auf den für deutsche Ohren möglicherweise lustig klingenden Namen? Ganz einfach: Das Schiff wurde nach der jüngsten Tochter von Inti Ligabue, dem Chef der Ligabue Group benannt. Die kleine Diletta ist 2019 geboren und war bei der Taufe „ihres“ Schiffs dabei.

Auf der Route liegen Orte, die man sonst nur aus den Staumeldungen im Verkehrsfunk kennt: In Seligenstadt winken Menschen mit Leintüchern. In Würzburg-Randersacker watschelt eine Entenmutter mit vier Küken am Ufer vorbei. Weil die Städte nicht weit auseinanderliegen stehen an vielen Reisetagen gleich zwei Ziele auf dem Plan. Morgens Frankfurt, abends Aschaffenburg. Oder morgens Miltenberg, abends Wertheim. Ein großer Vorteil im Vergleich zur Hochseereise: Von den Anlegestellen sind es meist nur wenige Schritte in die Stadt.

Städte, Burgen, Kirchen – entlang großer Flüsse wie dem Rhein oder der Donau gibt es unterwegs eine Menge zu sehen. Der Main hingegen ist eher für Naturfreunde und Technikfreaks geeignet. Die einen freuen sich über einen im Tiefflug vorbeijagenden Fischreiher. Die anderen fachsimpeln über Schleusen.

Erstaunlich viele Profis haben sich vorab informiert und eine Liste mitgebracht. Wer erst an Bord seine Begeisterung für Schiffshebeanlagen entdeckt, kann sich bei Kreuzfahrtdirektorin Sarah Pingel eine Liste geben lassen und die 52 Schleusen auf der Route auswendig lernen. In Freudenberg (Schleuse Nummer 12) sind Natur- und Technikfans gleichermaßen begeistert: Zwei Schwäne sind vor
das Schiff geschwommen und spielen Anhalter. Wie Boote in einer Wildwasserbahn schaukeln sie hektisch auf und ab, als sich die Kammer zischend und strudelnd mit Wasser füllt. Oben angekommen gleiten die Vögel lässig durch das sich langsam öffnende Tor zur Seite, als wüssten sie genau, dass das kleine Abenteuer sonst nicht gut für sie ausginge. Es gibt mehr Schleusenprofis, als man so denkt.

Fotos:
Copyright: OCEANLINER PICTURES BY OLIVER ASMUSSEN

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