Wiege der Riesen – Die Meyer Werft

von Alexander Sulanke

Papenburg liegt nicht direkt am Meer, dennoch entstehen hier gigantische Schiffe, mit denen Kreuzfahrer weltweit auf Reisen gehen. Wer möchte, kann den Ingenieuren der Meyer Werft bei der Arbeit über die Schulter gucken – und im Ort noch mehr erfahren.

Markenzeichen der Stadt Papenburg

Die Odysee of the Seas in der Meyer Werft
(c) mmuenzl – stock.adobe.com

Wer sich Papenburg von der Autobahn 31 aus annähert, erkennt schon aus der Ferne, wo Ostfriesland endet und das Emsland beginnt. Etwa zwei Kilometer nordwestlich, unmittelbar nach einer leichten Rechtskurve, gibt die platte Landschaft den Blick frei auf die Grenze, die hier ein kurzes Stück dem natürlichen Verlauf der Ems folgt. Wie eine Mauer ragt dort etwas empor. Eine weiße Wand, mit vielen Fenstern, Balkonen – und einem Schornstein obendrauf. Ein Kreuzfahrtschiff kurz vor seiner Auslieferung. Und ein Markenzeichen dieser Stadt von knapp 40.000 Einwohnern, die heute weltweit vor allem über ihren größten Arbeitgeber definiert wird: die Meyer Werft. Auswärtige staunen bei diesem Anblick, der sich etwa dreimal im Jahr bietet, wenn ein fast auslieferungsfertiger Ozeanriese im Werfthafen liegt. Einheimische erfüllt er mit Stolz, vermittelt ihnen ein Gefühl des Nachhausekommens und des Zuhauseseins.

Von Deutschlands erster Fehnkolonie zur weltbekannten Werft

Idylle. Die ganze Gegend ist von Kanälen durchzogen, die früher zum Verschiffen von Torf genutzt wurden.
(c) Alexander Sulanke

Die Werft ist so etwas wie das Herz dieser Stadt, obwohl an ihrem Rand gelegen. Ein Ort in der Provinz, an dem Fernweh erwächst und Urlaubsträume Gestalt annehmen. Selbst wenn sie hier noch nach Stahl und Schweißarbeiten riechen, nicht nach salziger Meeresluft. Das echte Meer liegt rund 40 Kilometer nordwestlich entfernt. Wie kann man bloß auf die Idee kommen, hier Schiffe zu bauen? Und dann noch so große? Die Suche nach einer Erklärung beginnt gut drei Kilometer südöstlich der Werft. Dort ducken sich einige unscheinbare Backsteinhäuser am Ufer des Splittingkanals, eine der vielen künstlich angelegten Wasserstraßen, die Papenburg durchziehen. Van-Velen-Anlage heißt das Ensemble.

Der 75-jährige Hans Vosse hält das Jahr 1631 für ein besonders bedeutendes in der Papenburger Geschichte. Es ist jene Zeit, in der Drost Dietrich Graf von Velen beschließt, genau hier, auf dem ihm überlassenen Land, eine Fehnkolonie nach holländischem Vorbild zu errichten, also Moor zu besiedeln und Torf abbauen zu lassen. Es soll die erste Fehnkolonie Deutschlands werden – und bis heute die längste bleiben. Doch der Weg dorthin ist beschwerlich. „Zunächst mussten Kanäle gegraben werden, um das Land zu entwässern“, sagt Hans Vosse. „43 Kilometer lang, 14 Meter breit, 1,80 Meter tief.“ Die ersten Siedler leben in Plackenhütten ohne Fenster, sie schlafen im Sitzen, weil das Moor giftige Gase ausdünstet, die sich in Bodennähe halten. 1638 beginnt der Torfabbau. „Und mit ihm entstehen die ersten Tagewerkschiffe. Das sind Plattbodenboote, auf die ein Tagewerk passte: 10.000 Stück Torf, gestochen von fünf Personen“, berichtet Vosse. Am Ufer des Splittingkanals liegt das Modell eines Tagewerkschiffs an Land. „Die Papenburger dachten: Wenn wir kleine Schiffe bauen können, dann können wir auch große bauen.“ 1780 beginnt die Blütezeit der Segelschifffahrt, 1860 erreicht sie ihren Höhepunkt. „23 Schiffswerften gab es in Papenburg. Jedes Jahr wurden 60 Schiffe gebaut. Über 200 Großsegler hatten wir im Einsatz, mehr als Hamburg.“

Doch gegen Ende des 19. Jahrhunderts kommen die ersten Stahlschiffe auf. Die Papenburger Reeder sind außer sich ob dieses Schwachsinns, einer von ihnen wirft der Legende nach ein Hufeisen in den Kanal, das dann auch prompt untergeht. Der Beweis dafür, dass Metall nicht schwimmen könne. Und dann zeigt sich, was passieren kann, wenn der Falsche zum falschen Zeitpunkt ein Hufeisen ins Wasser wirft. Alle sind ganz schnell pleite, fast alle. Josef Lambert Meyer (1846–1920) beurteilt den Sachverhalt mit dem Hufeisen etwas anders. Der Rest ist bekannt.

Geschichtsmuseum „Maritime Erlebniswelt“

Gut drauf. Papenburgs Bürgermeisterin Vanessa Gattung im Museum „Maritime Erlebniswelt“
(c) Alexander Sulanke

Sabine Pinkernell ist Geschäftsführerin der städtischen Tochtergesellschaft LGS gGmbH und verantwortet außer Citymanagement und Touristeninformation auch die neueste Attraktion der Stadt. In einem alten Backsteinspeicher auf dem früheren Betriebsgelände der Meyer Werft hat Papenburg für 3,6 Millionen Euro ein Geschichtsmuseum mit dem Schwerpunkt Schifffahrt erschaffen, „Maritime Erlebniswelt“ genannt und erst im Mai 2022 eröffnet. Es ist eine auch interaktive Mitmachausstellung, die den ganz großen Bogen schlägt von der Moorsiedlung bis zur Traumschiff-Fabrik. Besucher können ein virtuelles Schiff konfigurieren und auf wandfüllenden Bildschirmen dessen Stapellauf anschauen – mittendrin im Papenburg der 1850er-Jahre.

Den Schiffen ganz nah im Besucherzentrum der Meyer Werft

Doch auch auf der Werft von heute sind nicht grundlos Busse geparkt. Mit rund 250.000 Gästen in normalen Jahren ist das Besucherzentrum der Meyer Werft die Hauptattraktion der Stadt. Die Gäste können dort durch eine Glasscheibe von einer Galerie aus direkt in die Produktion blicken. Der Anblick ist atemberaubend. Begonnen hat die Geschichte dieser Einrichtung vor 30 Jahren mit einer kleinen Tribüne. Die Bevölkerung sollte sehen können, wie die großen Schiffe gebaut werden. Die Werftarbeiter, berichtet Assies, hätten zunächst dagegen opponiert, weil sie sich ausgestellt gefühlt hätten, ein bisschen wie im Zoo. Inzwischen ist die Anlage 3.500 Quadratmeter groß, in neun Themenwelten gegliedert und bietet Einblick in vier Originalkabinen der neuesten Ozeanriesen. In einem Panoramakino läuft, opulent in Bild und Musik, der Imagefilm „Sinfonie der Meere“.

Noch echte Schweißarbeit. (c) Alexander Sulanke

Neues Geschäftsfeld: Schwimmende Immobilien

Der Kran an der Decke erreicht jeden Winkel der Halle und kann 800 Tonnen heben. Zuerst werden dort Stahlkammern von der Größe etwa einer Kabine zusammengeschweißt, dann zu sogenannten Sektionen vereint, schließlich werden daraus Blöcke. „Sieben bis zehn Sektionen ergeben einen Block, 80 bis 100 Blöcke ein Schiff “, erklärt Meyer-Sprecher Florian Feimann unten in der Halle. 80.000 Quadratmeter Fläche, 400 Kilometer Rohrleitungen. 1.000 bis 2.000 Menschen arbeiten gleichzeitig an einem Schiff, rund 1.300 Ingenieure beschäftigt die Meyer Werft. Ganz oben auf der Agenda stehen umweltfreundliche Antriebe – neben LNG, das Experten als Brückentechnologie sehen – etwa mit Brennstoffzellen. Ein weiteres neues Geschäftsfeld Meyers sind schwimmende Immobilien. Feimann: „Was wir auf unseren Schiffen machen, nämlich eine autarke Kleinstadt bauen – das kann man durchaus in den Wohnungsbau übertragen.“

Es handelt sich hierbei um eine gekürzte Version. Den ganzen Artikel finden Sie im Kreuzfahrt Guide 2023.

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